Schon mal Fischfutter für das Aquarium zwischen den Fingern zerbröselt? So in etwa fühlen sich Algen an, die an Land gespült, traurig in sich zusammengesunken und völlig durchgetrocknet sind. ​​​​​​​
Zu den Nachteilen des Lebens an Land gehören die Trockenheit und Schwerkraft, dazu kommt eine höhere Strahlenbelastung als im Wasser. Doch das Wagnis bringt für die Pioniere enorme Vorteile mit sich. Das Sonnenlicht als Energielieferant wird anders als im Wasser weniger gefiltert und auch die Kohlenstoffdioxidkonzentration ist in der Luft deutlich höher, beste Voraussetzungen für die Fotosynthese. Außerdem ist der Druck durch lästige Konkurrenten zunächst gering und auch von Fressfeinden ist noch nichts zu sehen. 

Bleistiftzeichnung aus meinem Skizzenbuch  nach einer im Frankfurter Senkenbergmuseum gesehenen Schautafel, digital überarbeitet April 21

Wie kann man sich eine der ersten Landpflanzen vorstellen? In der Ausstellung zur Pflanzenevolution des Frankfurter Senckenbergmuseums sah ich ein Modell eines grünen Pioniers. Die Verdickung der Außenwände der äußeren Zellschicht stellt einen Austrocknungsschutz dar, mit dem sich zumindest ein zeitweises Trockenfallen überstehen lässt. Das aus einer übersichtlichen Anzahl von Zellen bestehende Pflänzchen richtet sich an einem von Schleimhaaren geschützten Ende so gut es geht empor und stemmt sich der Schwerkraft entgegen. Noch ist die Aufrichtung gering und von einem meterhohen, prähistorischen Stürmen trotzenden Baum weit entfernt, aber der Anfang ist geschafft! Die zarten Rhizoide greifen in den Boden und wirken mutig am Aufwärtsschub mit. Im Laufe der Evolution werden Gefäßpflanzen wie die Farne Wurzeln als Organ der Wasseraufnahme aus dem Boden ausbilden. Die Symbiose mit Wurzelpilzen hilft ihnen bei der Nährsalzaufnahme, die sich an Land schwerer bewerkstelligen lässt als im Wasser.
Die Ausbildung von Leitgefäßen in der Sprossachse ermöglicht den späteren Entwicklungsstufen den Stofftransport durch höher wachsende Pflanzen, doch bei der bei unserer kleinen Pionierpflanze sind die verschiedenen Zellen des Pflanzenkörpers noch sehr gleichförmig. Vermutlich kann unsere Modellpflanze genau wie die Lebermoose, an die sie erinnert, leichte Sporen bilden, mit denen sich sie über die Luft verbreiten kann. Ich stelle mir vor, dass sich ihre Nachkommen weiter entwickeln und im Laufe von über hundert Millionen Jahren von den Küsten ausgehend die Urkontinente erobern, wobei sie in Konkurrenz um Licht meterhohe Baumformen bilden werden. Der Landgang der Pflanzen stellt eine massive Veränderung der Lebensbedingungen auf der Erde dar. Sie bilden die Lebensgrundlage für viele Tiere und ermöglichen den Prozess des Landgangs der Wirbeltiere, die Evolution unserer Spezies eingeschlossen. Aus dieser Sicht erscheint mir das kleine grüne Zellgebilde in ganz anderem Licht.
Literatur:
Harf, Rainer und Sebastian Witte: Landpflanzen, Aufbruch in eine neue Welt. In: Geo kompakt, Das Geheime Leben der Pflanzen, Heft 38, 2014. 
zuletzt geändert am 13. 4. 2021

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