Ich inspiziere mein Frühstück: Ein Brötchen aus Weizen, Zuckerrübenkristalle und Brombeeren in der Marmelade, die Früchte des Kaffestrauchs wurden mehrschrittig bearbeitet und landeten schließlich in Auszügen in meiner Tasse. Für Milch und Butter schob sich noch einmal eine Kuh zwischen das Gras und mich in die Nahrungskette. Im Müsli noch Nussfrüchte. Beim Rascheln des hoffentlich recycelten Zeitungspapiers raunen nacktsamige Bäume, im Käseblättchen abgebildete Schauapparate von Petunie, Geranie oder Kappkörbchen locken in den Baumarkt. Nun wird es zunehmend aufdringlich: Blumenornamente auf dem Teppich, der auf dem Kieferboden unter dem Eichemobiliar liegt, Blümchen auch an der Wand, auf den Kissen, Aufsitzerpflanzen auf dem Fensterbrett innen, blühende Hornveilchen außen. Mein Körper steckt teils in verzwirbelten Baumwollfäden…

Von Blütenpflanzen umzingelt, Gouache und Collage auf Papier, Din A3, 2019

Alles Blütenpflanzen! Als Pflanzen bezeichnet man im allgemeinen Lebewesen, die im Unterschied zu Tieren erstens ihre eigenen Futterproduzenten sind, indem sie Fotosynthese betreiben, und zweitens in der Regel ihr Leben verwurzelt an einem Standort verbringen. Typischer Bau: Wurzel, Sprossachse und Blatt. Blütenpflanzen blühen mal mehr, mal weniger auffällig und bilden Samen, die der Verbreitung der Pflanze dienen, wobei die Blüten aus speziell abgewandelten Blättern bestehen. Der Prototyp einer Blütenpflanze ist bereits eine späte Stufe einer über hunderte Millionen Jahre dauernden Evolution. Wenn mich mal jemand fragt, ob ich vegan lebe oder irgendetwas nicht toleriere, habe ich schon eine Antwort parat: Ich achte konsequent auf Nahrung angiospermen Ursprungs! Das ist eine Ernährungsphilosophie nach meinem Geschmack, denn sie klingt schlau und verbraucht kaum Disziplin.  80% der Nahrung des Menschen weltweit basiert ohnehin auf nur sechs verschiedenen bedecktsamigen, also angiospermen Blütenpflanzen: Weizen, Reis, Mais, Kartoffeln, Maniok und Süßkartoffeln. Menschen haben Kulturpflanzen in den letzten 13.000 Jahren durch Züchtung stark verändert. Aber ich mache beim Essen natürlich auch Ausnahmen: Pinienkerne von Nadelbäumen, die nicht bedeckt- sondern nacktsamig, also gymnosperm sind und die Algen beim Sushi gehören gar nicht zu den Blütenpflanzen!
Doch wie lange gibt es schon Pflanzen auf diesem Planeten? Seit wann besitzen sie Blüten? Wie haben sie vorher ausgesehen und sich vermehrt?
Die Wissenschaft, die sich insbesondere mit der Erforschung der Evolutionsgeschichte der Pflanzen beschäftigt, nennt man Paläobotanik. Ein wohlklingendes Wort, wie ein Karamellbonbon. Wissenschaftler/innen dieser Disziplin begeistern sich für die zu Stein gewordenen Überreste längst verblichener Gewächse. Zugegebenen: Große Dinosaurierskelette verkaufen sich besser und wirken belebender auf Schulklassen als fossile Farne im Naturhistorischen Museum!
Eine wunderbar gestaltete Dauerausstellung zur Evolution der Pflanzen zeigt das Frankfurter Senckenbergmuseum unter dem Titel GRÜNE EVOLUTION.
Schon Charles Darwin betrachtete fossile Pflanzen, raufte sich die mittlerweile grauen Haare und den reichlich vorhandenen Bart und grübelte über die Evolution der Blütenpflanzen. Sie blieb ihm ein „schreckliches Mysterium“. Tusche, Kreide, Stempel im Skizzenbuch, Din A4, 27.2.2016
Wurzel - Sprossachse - Blatt, Tuschzeichnung im Skizzenbuch, Din A4, 2020

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